Vor einiger Zeit hat Wildcat Tattoo-Supply mit ins Programm genommen und die rege Nachfrage ließ diesen Bereich über die Zeit wachsen. Auf der Suche nach qualitativ hochwertiger und bewährter Tattoofarbe wurden dann auch vor kurzem die Farben von Mario Barth „INTENZE“ ins Programm aufgenommen.
Eine Anzeige im Tätowiermagazin war schon gebucht und sollte den Start der Intenze Farben verkünden, auch ein Mailing an alle Kunden wurde gedruckt – dann kam die Schreckensmeldung:
„Holland hatte gemeldet, dass die Farben mit Keimen und Bakterien kontaminiert seien.“ – so der Anruf des Herstellers. Die Meldung hat es noch ins Tätowiermagazin geschafft, die Anzeige konnte aber bis zur Prüfung des „Zwischenfalls“ nicht kurzfristig geändert oder heraus genommen werden – das sorgte für Gesprächsstoff. In den kommenden Tagen und Wochen haben alle betroffenen Tätowierer und auch Wildcat versucht von der holländischen Behörde mehr zu erfahren. Welche Farben genau womit kontaminiert sein sollen, wie alt die Farben waren und woher diese kamen, und so weiter.
ERFOLGLOS!
Wer schon einmal gegen die Mühlen der Behörden anzukommen versucht hat, kann den Frust nachfühlen. So wurde entschlossen, dass vorerst keine weiteren Spekulationen über das „was“, „wo“ und „wie“ angestellt werden, sondern dass man sich zumindest von Seiten Wildcat darauf konzentriert, dass ZUKÜNFTIG Derartiges nicht mehr passieren kann.
Lösung: Sterilisation
Seither werden alle Farben zur Sterilisierung Gamma bestrahlt. Erkenntlich für jeden Tätowierer ist das durch einen kleinen Aufkleber auf jeder Flasche. Dieser Aufkleber gibt an, wann bestrahlt wurde, mit welchem Level und welcher Strahlendosis. Der Erfolg der Bestrahlung ist durch einen Indikator auf den Umverpackungen und einem Bestrahlungszeugnis je Charge dokumentiert. Diese Art der Sterilisation ist weit verbreitet in der Medizin und wird bei allen Dingen angewandt, in die man physisch nicht eindringen kann, wie z.B. auch Infusionslösungen.
Wesentliche Merkmale der Gammastrahlung sind ihr hohes Durchdringungsvermögen, wobei sie absolut rückstandsfrei frei ist, d.h. es bleibt nichts zurück. Die Farben werden mit 40kgy bestrahlt, dass ist eine Dosis bei der nichts „überleben“ kann. Selbst der hartnäckigste Staphylococcus stirbt bei 30kgy.
Selbstverständlich werden die Farben rein prophylaktisch bestrahlt, denn bisher haben wir in keiner Probe eine Verunreinigung feststellen können. Auf diese Weise ist sicher gestellt, dass die Farben bei Lieferung durch Wildcat definitiv rein sind. Darüber hinaus wurde die Gamma bestrahlten Farben auch noch einmal getestet, ob sie steril (also frei von Bakterien, Keimen, Pilzen usw.) sind. Wildcat versichert darüber hinaus das die Farben durch die Bestrahlung nicht beeinträchtigt werden – auch dazu wurden umfassende Untersuchungen angestellt.
Verpackung und
Konservierung
Es bleibt allerdings das Problem, dass jede Form der Konservierung nur bedingt haltbar ist, abhängig vom Konservierungsverfahren. Man kennt das von Lebensmitteln und deren Haltbarkeitsfristen. Auch aus dem Bereich der Lebensmittel kennt man die Diskussion über die Art der Konservierung (physikalisch, d.h. Kühlen, Trocknen, Gefriertrocknen oder Bestrahlen, oder chemisch durch Zuckern, Salzen, Pökeln, Säuern, Räuchern oder durch Zusatz von Konservierungsstoffen). Jede Art der Konservierung hat Vor- und Nachteile, geht primär gegen verschiedene „Schadstoffe“ vor, und vor allem ist nicht jedes Verfahren auf jedes Produkt anwendbar. Marmelade z.B. durch Salzen haltbar zu machen, würde den Geschmack zerstören.
Ob nun aber eine Farbe nach einem halben Jahr in Gebrauch verkeimt ist, oder infiziert, dass kann kein Tätowierer beurteilen noch ausschließen. Man kann nur das Risiko minimieren. Es gibt derzeit leider kein Konservierungsverfahren, dass die Farben nachhaltig konservieren würde.
Ein Mittel, welches ein Jahr lang jeden „Eindringling“ abtötet, frei von Nebenwirkungen ist und zudem der Tattoofarbe nicht schadet ist bisher nicht gefunden. Zum Beispiel Alkohol einzubringen wäre auch keine Lösung auf Dauer, da der Alkohol auf Sauerstoff reagiert und schlicht verdampft.
Lösung:
Single-Use-Units?
Sicher würden Single-Use-Units, also Monodosen, das Risiko schon wegen des Zeitfaktors der Lagerung bis zum Gebrauch reduzieren und sind deshalb ein Weg der erst einmal gegangen werden muss. Allerdings würde der Einsatz von solchen Monodosen nicht ausreichen, um wirklich das Infektionsrisiko des Kunden zu reduzieren. Denn Hygiene und sauberes Arbeiten sind ein ganzheitliches Konzept zu dem einiges mehr als nur anständige Farbe gehört.
Ein Piercer z.B. hat den Vorteil, dass alles was die Haut des Kunden berührt sterilisierbar und/oder Einwegmaterial ist. Schon alleine diese Tatsache erleichtert hygienisch einwandfreies Arbeiten ungemein.
Der Tätowierer hat es da nicht so „leicht“, die Tattoomaschine, die Clipcords usw. sind nicht sterilisierbar (können nicht ohne weiteres in den Steri gepackt werden). Einzig die Nadeln und Griffstücke werden sterilisiert. Hinzu kommt, dass diese Form der Hygiene (also maximieren der Sicherheitsfaktoren, zum Schutz des Kunden) leider im Tattoo-Bereich bisher kein großes Thema war. Welcher Tättowierer benutzt derzeit einen Mundschutz und sterile Handschuhe?
Führt man sich das vor Augen, wird schnell klar, dass uns einiges an Veränderungen erwartet und Mario Barth und Wildcat macht mit der Optimierung der Farben nur einen ersten Schritt. Das Tätowieren hat eine lange Tradition, auch in Europa und so langsam stoßen Regeln und Gesetze in diesen Bereich vor. Das ist gut, wenn es geregelt und im Dialog mit der „Tattoo-Industrie“ geschieht – damit hapert es zur Zeit noch.
Es bleibt schwierig!
Ein Glanzstück europäischer Gesetzgebung und „Spontanität“ durfte man gerade erleben. Denn ganz aktuell ist der Erlass des Gesetzes zur Neuordnung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts zum 06.09.2005. Dieses neue Gesetz hat nun Tattoofarben aus der rechtlichen Grauzone rausgeholt und setzt sie den Kosmetika gleich. D.h. die Inhaltsstoffe der Farben müssen wie für Kosmetika vorgeschrieben zulässig sein und die Etiketten müssen die Anforderungen der Kosmetikverordnung erfüllen. Für Wildcat, wie für alle anderen Händler die Tattoofarben anbieten, ist diese gesetzliche Regelung ohne Übergangsphase gültig. Also muss nun erst durch aktuelle Sicherheitsbewertungen die Frage nach den Inhaltsstoffen geklärt werden und dann umgehend eine entsprechende Neuetikettierung erfolgen. Ab wann die „neuen“ Farben erhältlich sein werden, kann derzeit keiner abschätzen.
Wer nun fürchtet mit seinem aktuellen Tattooprojekt erst mal auf dem „Trockenen“ zu sitzen, dem sei gesagt, dass für die Tätowierer immerhin eine Übergangslösung gilt. Wie diese allerdings genau aussehen wird, weiß man derzeit nicht, da es noch keinen Erlass dazu gibt – man darf also gespannt sein. Bis dahin gilt: die Farben, die sich jetzt in den Studios befinden, wurden vor dem Erlass des Gesetzes erworben und brauchen daher nicht den neuen Anforderungen zu entsprechen. Zudem ist uns nicht bekannt, dass es derzeit einem Studio möglich wäre, dem neuen Gesetz nach zulässige Farben zu erwerben. Die Niederlegung der Tätigkeit bis zu dem Zeitpunkt, an dem es zulässige Farben gibt, kann kein Amt erwarten. Allerdings bleibt abzuwarten wie lange es nun dauert bis der Status Quo für ein Arbeiten des Tattoo-Handwerks geschaffen ist oder droht uns allen ein „trockener Tattoo-Winter“?
Nein, sicher nicht! Auf jeden Fall wird es aber kein leichter Winter, denn alle Bestimmungen und Gesetze zielen nur auf Farben, die innerhalb Europas erworben wurden. Sollte ein Tätowierer direkt z.B. aus den USA seine Farben beziehen kann es schnell Komplikationen geben, denn in den USA sind z.B. Inhaltsstoffe zulässig, die es hier nicht sind. Darüber hinaus ist Vorsicht geboten, beim Selbermischen von Farben.
Text: Carolin Stutzmann
0 Kommentare zu “Der Fall Tattoofarben”