SURFACE – PIERCINGS

Bei Oberflächenpiercings handelt es sich um Piercings, die an Stellen gestochen werden ,die nicht in die Kategorie der Standardpiercings gehören. Klassische Stellen für Oberflächenpiercings sind: Hals (Madison), Brustbein (Sternum oder Cleavage), Handgelenk (Wrist), vertikale Bridge sowie eine klassische Intimpiercings wie Pubic und Christina. Der Heilungserfolg solcher Piercings ist sehr gering, die meisten dieser Piercings wachsen mit der Zeit heraus und hinterlassen Narben.

Abheilung: einige Monate
Schmuck: Surface Bars, Bananabells 

 

Wenn ein Piercing gestochen wird, dann geschieht das meist – oder im klassischen Sinne – an einer Stelle des Körpers, die eine Falte oder Gewebe-Barriere vorgibt, so dass diese dann gerade durchstochen werden kann. Das hat ein paar Jahre ganz gut funktioniert und auf der Suche nach immer ungewöhnlicheren Stellen ist das „klassische Piercing“ bis zum Gaumenzäpfchen (Uvula) vorgedrungen.

Surface-Piercings also Oberflächenpiercings an ebener Hautfläche waren da schon lange bekannt und wurden auch schon vor zig Jahren praktiziert. Allerdings hing dieser Form des Piercings lange Zeit der Ruf nach, dass sie früher oder später herauswachsen und so zum Großteil „nicht funktionieren“.

Ein erfolgreiches Surface Piercing hängt primär natürlich von der Körperstelle ab – es gibt nach wie vor Regionen, die einfach ungeeignet sind für ein Piercing. Diese Regionen „erobern“ sich derzeit die Transdermals und Demal-Anchors – aber dazu im nächsten Teil mehr.

Bleiben wir bei der „Erfolgsstory Surface-Piercing“. Der größte Fehler der Vergangenheit in diesem Bereich war sicher an den klassischen Piercingtechniken und Schmuck festzuhalten. So wurden zwar viele Materialien wie PTFE, Tygon oder auch Schmuckformen wie gebogene Metallstäbe ausprobiert, allerdings blieb ein breiter und nachweislicher Erfolg aus. Es gibt immer wieder Menschen, die eine absolut erstaunliche Fähigkeit haben die abenteuerlichsten Piercings auszuheilen. So gibt es auch mit augenscheinlich ungeeigneten Materialien und Schmuckformen immer wieder einzelne Erfolge.

So setzte sich noch vor einigen Jahren die Meinung durch Surface-Piercings sind irgendwo zwischen „kann klappen“ und temporären Party- und Play-Piercings einzuordnen. Nicht selten bekam man also auf der Suche nach einem Studio, bzw. Piercer, der ein Surface-Piercing sticht die Antwort „nein, das machen wir nicht“ und „diese Art von Piercing wächst innerhalb kürzester Zeit heraus und was bleibt sind hässliche Narben“. Was ja mit oben beschriebener Technik und Schmuck auch meist der Fall war – also nicht geschwindelt.

Die Surface-Bar

Doch es war Land in Sicht. Wie so oft im Bereich der Bodyart gab es irgendwo einen oder mehrere Piercer, denen das Thema keine Ruhe ließ. Das Problem, dass ein Surface-Piercings, welches nach klassischer Art gestochen und mit normalem Schmuck versehen wird, die Tendenz hat rauszuwachsen, war relativ schnell erkannt und die Lösung lag dann natürlich auf der Hand – man musste neue Wege gehen.

So entwickelte irgendwann und irgendwo jemand die erste Surface-Bar. So richtig lässt sich das leider nicht mehr verfolgen wo und wer als erster die Idee hatte. Es gibt heute einige Piercer, die sich diesen Erfolg auf die Fahne schreiben; vermutlich zu Recht, ist es doch nicht das erste Problem für das parallel ähnliche Lösungen gefunden wurden.

Am ehesten müssen wir wohl den „Pokal für die Erfindung der Surface-Bar“ nach Übersee abgeben, denn zuerst dokumentiert und im Handel zu haben war das gute Stück in den USA.

Die Idee ist dabei so einfach, wie sie genial ist. Um die einseitige Spannung aus dem Oberflächenpiercing zu nehmen verteilt die Surface-Bar durch ihre U-Form (schaut ein bisschen aus wie eine flache und dicke Heftklammer) Druck und Gegendruck und hält sich so im Gewebe. Surface-Bars werden in der Regel in den Stärken 1,2 und 1,6mm angeboten, wobei 1,2er eher seltener eingesetzt werden. Es gibt Surface-Bars sowohl mit externem als auch internem Gewinde. Welche Form besser geeignet ist, entscheidet jeder Piercer für sich da es primär auch von der Art des Piercens abhängt. Eine Surface-Bar ist kein Schmuck, den man häufig oder überhaupt wechselt, deshalb verbleibt die Bar also ihr ganzes „Leben“ lang im Stichkanal. Variationen bietet der Schmuck durch die verschiedenen Kugeln und Aufsätze, die aufgeschraubt werden können.

Surface-Bars mit einem 90° Winkel sind die am häufigsten verwendete Form. Je nach Körperstelle kommen aber auch 45° Winkel in Frage. Es gibt aber auch individuell in der Länge angepasste Surface-Bars, die werden z.B. dann eingesetzt, wenn beim Heilungsprozess des ersten Surface-Bars der Schmuck ein wenig gewandert ist. Diesen Vorgang nennt sich “Downsize“ und lässt sich nicht immer verhindern. Der Schmuck „setzt sich“ je nach Stärke des äußeren und inneren Drucks in eine stabile Position, die einen Wechsel des Schmucks notwendig machen kann.

Der Piercer

Es verlangt einem Piercer viel an Können und Erfahrung ab die richtige Platzierung, Tiefe und Abstand der Einstichlöcher anzubringen. Daher gibt es wohl auch (noch?) nicht so viele Piercer, die dieses Piercing ihren Kunden anbieten. Man sollte an dieser Stelle auch bedenken, dass eine Ablehnung eines Piercings durch einen Piercer eine gute Sache ist und nicht aus einer Motivation heraus entsteht den „Kunden zu ärgern“. Seine eigenen Fähigkeiten einzuschätzen und im Kreise der Freunde, Bekannten oder Arbeitskollegen Techniken und Schmuck zu üben, testen und trainieren gehören nun einmal zum Geschäft dazu. Auch wenn man selbst gerne eine Testperson sein möchte und kein Problem damit hat, sollte man respektieren wenn der Piercer sich dabei unwohl fühlt oder lieber auf Testpersonen zurückgreift die er täglich beobachten kann und die er kennt. Schimpft also nicht mit dem Piercer Eures Vertrauens wenn er Euch ohne Piercing nach Hause schickt, sondern motiviert ihn (oder sie) sich das Wissen und Können anzueignen, indem ihr gerne ein wenig wartet und dann der erste Kunde seid wenn es so weit ist. Einige Piercer wollen und werden dieses Piercing aber auch evtl. nicht anbieten, haben aber oft einen Tipp parat wer und wo das gewünschte Piercing sticht oder haben Gast-Piercer und „Bodymod-Artists“, die verschiedenste Dienstleistungen dann zu bestimmten Terminen vornehmen.

Nicht immer und überall

Ganz wichtig und deshalb nicht unerwähnt lassen wollen wir die Tatsache, dass nicht jede Körperstelle für ein Surface-Piercing geeignet ist. Es gibt (leider) immer Piercer, die jedes Piercing stechen – sei es damit die Kasse sich füllt oder aus der Überzeugung heraus „was ich steche das heilt auch“. Das ist leider keine gute Einstellung aber auch nicht selten, seid also kritisch und lasst Euch beraten und evtl. Bilder von Referenzen zeigen. Jedem Piercing sollte eine ausführliche Beratung voraus gehen, das gilt insbesondere auch für Surface-Piercings. Bei einer Ablehnung des Piercings, ist es selbstverständlich auch eine Begründung zu bekommen, die sich nachvollziehen lässt. Die Spannungen oder Druck in und auf der Haut, die entweder durch tägliche Bewegungen oder durch individuelle anatomische Voraussetzungen entsteht, führen oder können dazu führen, dass ein permanenter Reiz auf die gepiercte Stelle wirkt und so eine Heilung wesentlich erschwert oder gar unmöglich macht. Dabei spielt es auch eine Rolle ob das alltägliche Leben dem Piercing an gewünschter Stelle überhaupt eine Chance gibt zur Ruhe zu kommen. Ist man zum Beispiel im Arbeitsleben gezwungen viel zu sitzen oder zu laufen oder enge Uniformen zu tragen, kann das schon ein Ausschlusskriterium sein; oft reicht auch ein Urlaub nicht um ein Piercing angemessen Ausheilen zu lassen.

Kritische Stellen sind z.B. die Unterarminnenseite, Schambereich der Frau, Steiß oder Steißbereich, Hand, Fuß, Rücken im Bereich der Wirbelsäule, Knie oder Kniekehle; diese Körperregionen sind in der Regel derart in Bewegung oder unter Spannung, dass ein Oberflächenpiercing sehr, sehr wenig – meist gar keine Chance hat erfolgreich zu verheilen. Wie bereits zu Beginn erwähnt wird es immer Einzelfälle geben, die auch solche Piercings erfolgreich ausheilen. Das begründet aber weder einen Anspruch auf das Piercing, noch ist es eine Garantie, dass es bei einem selbst klappt; auch nicht wenn man „alles genau so macht“ wie diese Person. Wer bereit ist Narben in Kauf zu nehmen und einen Piercer hat, der auch für Experimente zu haben ist, soll es versuchen.

Es gibt immer wieder Leute, bei denen klappt es oder geht ein Surface-Projekt eine Zeit lang gut. Wir alle kennen diese Bilder auf denen 20 oder mehr Piercings an einer Stelle zu sehen sind. Oft fehlen die Infos wie lange diese Piercings schon getragen werden, sie also ausgeheilt sind und wie mühevoll es war das zu schaffen. So bleibt oft die Frage, wie gut und wie weit der Heilungsprozess abgelaufen ist und wie stark der Alltag dadurch beeinflusst wird und wurde. Viele dieser „Kunstwerke“, als solche kann man diese großflächigen Surface-Arbeiten schon bezeichnen, sind leider wenig alltagstauglich. Allein die tägliche Körperhygiene kann zu einem Problem führen, wenn der ganze Bauch- oder Brustbereich mit Piercings übersät ist. Ordnet man seinen Alltag allerdings den Piercings unter und sorgt für entsprechende Sicherheit, Pflege und verzichtet auf Aktivitäten und Belastungen, die dieses Projekt gefährden, kann es auch sehr lange gut gehen. Ob man das für sich selbst möchte und leisten kann sollte dabei jeder für sich entscheiden.

Als Playpiercing für einen Event oder eine Vernissage dagegen, sind solche Piercing durchaus geeignet (unter Berücksichtigung der hygienischen und medizinischen Gegebenheiten) und auch gar nicht so selten.

Tagesgeschäft

An einigen Körperregionen sind Oberflächenpiercings so erfolgreich und bei richtiger Anbringung und Pflege auch relativ stressfrei zu tragen, dass sie schon eigene Namen haben und ihren Weg in das Standard-Repertoire der Piercings gefunden haben. Erfolgsquoten von bis zu 90% und mehr machen sie zu beliebten und zunehmend weiter verbreiteten Piercings unserer Zeit. Gut geeignete Körperstellen sind zum Beispiel der Nacken, unterhalb des Bauchnabels und im Dekoltee; diese zählen heute zu den meist gepiercten Stellen in Sachen Surface-Piercings.

Der Achselbereich, seitlicher Bauch oder Armeaußenseite gehören hingegen zu den zwar gut machbaren aber eher selten gepiercten Stellen. Surfacepiercings im Gesicht (wie auf den Fotos der ersten und zweiten Seite dieses Artikels zu sehen) bilden eher die krasse Ausnahme. Entsprechende Voraussetzungen müssen für solche Piercings gegeben sein und in vielen Fällen sind Alternativen wie Transdermale Implantate oder kleine Dermal-Anchor die bessere Lösung.

Interessant dabei ist auch das die sehr „krassen“ Beispiele besten „Heilfleisches“ oft aus Regionen mit warmen Klima und hoher Luftfeuchtigkeit kommen. Unsere beiden Beispiele sind auf Hawaii entstanden (siehe auch Vorstellung Kala aus EXPAND #3) und auf die „Sache mit dem Klima“ gehen wir auch noch in unserer Reihe „Piercing-Pflege“ ein.

Wünsche des Kunden

Oft liegen leider die Wünsche und Vorstellungen des Kunden im Bereich Surface-Piercing weit jenseits dessen, was sinnvoll und machbar ist. Der Wunsch ein besonderes und einzigartiges Piercing zu haben ist verständlich und nicht selten. Grundsätzlich betrachtet auch kein Problem, eine Nadel kann man schließlich durch fast alle Körperstellen stechen, ohne dass sofort ein bleibender Schaden entsteht. Man sollte allerdings nicht vergessen, dass ein Piercing mehr ist als nur ein Nadelstich.

Besonders zu berücksichtigen ist immer die potentielle Verletzungsgefahr die ein Piercing mit sich bringt, speziell im mittleren und unteren Wirbelsäulenbereich / Steiß) kann es bei einem Sturz zu schweren Verletzungen kommen. Eine Surface-Bar aus Titan ist nicht flexibel und ein Surfacepiercing „platzt“ auch nicht von der Haut wenn es einen Schlag abbekommt. Es kann durchaus sein, dass ein solches Piercing auch bei kleineren Stürzen und Unfällen die Wirbelsäule schädigt.

Zum Glück ist ein solcher Fall zumindest uns bisher nicht bekannt, was aber nicht bedeutet es handelt sich dabei um „Bangemachen“. Es ist halt ein Risiko, ein „Worst-Case Szenario“; das Gegenteil vom „Risiko“ ist „Sicherheit und letzteres ist im Zusammenhang mit dem eigenen Körper immer von Vorteil.

Risiken und Probleme

Ein weiteres Risiko sind Komplikationen, die sich oft an abgelegener (selbst nicht einsehbarer) Stelle des Körpers bilden wenn man nicht auf die Signale des Körpers hört und angemessen reagiert. Dazu gehören schlimme Entzündungen die eiterige Abszesse bilden können.

Schmerz, Rötung und Schwellung sind immer Warnhinweise unseres Körpers die sofort Beachtung brauchen, das gilt auch für Surface-Piercings. Es ist nicht „normal“ wenn die Stichkanäle „total rot“ sind oder andere Komplikationen auftreten. Es macht auch keinen Sinn solche Signale zu ignorieren und es auszusitzen damit man das Piercing behalten kann. Gibt es Komplikationen, führen diese meist dazu, dass ein Piercing abgestoßen wird. Je schwerer und länger die Komplikationen waren, desto ausgeprägter sind dann die zurückbleibende Wunde und Narbe.
Klassische Surface-Piercing Probleme sind das Einwachsen der Kugeln, Herauswachsen des Schmucks, Einreißen der Haut durch Hängenbleiben und ständige Reizung durch Spannungen in der Haut oder durch äußere Einflüsse und die daraus resultierende permanente Rötung der Ein- und Austrittslöcher. Nervenreizungen und Unterhautblutungen sind dann mögliche Folgen z.B. durch nicht fachgerecht eingesetzten Schmuck, schlechtes „Setzen“ des Piercings oder falscher Pflege.
Es bleibt dabei, die richtige Platzierung des Schmuckes unter der Haut ist der wichtigste Punkt (abgesehen von der Körperstelle) für ein erfolgreiches Surface-Piercing. Zu tief sitzender Schmuck verursacht Druckstellen am Gewebe, was letztendlich zu Entzündungen in diesem Bereich führt. Surface-Bars, die zu weit aus der Haut heraus stehen, neigen zu kippen und man bleibt so leichter einmal daran Hängen.

Die Folge ist auch hier ein ständiger Reiz am Gewebe. Dadurch entstehen in den meisten Fällen Hautaufwürfe, sogenanntes Granulationsgewebe.

Und es geht doch!

Selbstverständlich werden auch nach der Lektüre dieses Artikels einige sagen: „Was reden die, klar geht das, ich habe das schon gemacht (gesehen, davon gehört) und es ging auch immer gut“. Wie bereits erwähnt und auch mit den Bildern dieses Artikels gezeigt, wird es immer Fälle geben wo das scheinbar „Unmögliche“ gelingt und es ist auch schon fast garantiert das wir dank des Internets direkt davon erfahren. Es bleibt nur die Frage wie viele Fehlversuche und Komplikationen es zu vergleichbaren Fällen gegeben hat, von denen man meist leider nichts hört und sieht.
Wir wollen deshalb mit diesem Artikel die Surface-Piercings vorstellen, die wir unter Berücksichtigung der medizinischen Aspekte und der Erfahrungswerte unsererseits und der aufgeführten Studie ermitteln konnten. Was letztendlich der eine oder andere abseits des „Mainstreams“ so macht, liegt einzig und allein in seiner Verantwortung.

Markus / Ink

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